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15. Markusbrief (über Verantwortung)

Es ist die Verantwortung, die immer wieder an mich herantritt.
Gerade in der gegenwärtigen Corona-Krise.
Unser Leben bewegt sich immer mehr in Richtung der Verantwortungslosigkeit und wir geniessen es, suchen es.
Denn Verantwortung wiegt schwerer als Schuld. Verantwortung fordert Kraft und verantwortliches Handeln.
Verantwortung nimmt mir nichts ab, sie legt mir auf.

Wir neigen uns seit Jahrtausenden der Schuld zu. Mea culpa. Mea Culpa. Mea maxima culpa.
Mit der Schuld gebe ich die Verantwortung ab. Bewahre ich mich davor, überhaupt einen Gedanken an Verantwortung zu verschwenden. „Ja. Ich bin schuld, ich war schon immer, ich konnte nie, ich kann nicht anders, ich weiss, dass ich schuldig bin. Straf mich, erzieh mich, massregle mich, ich begleiche diese Schuld, mit Geld, mit Gefängnis, mit Selbstkasteiung…und was dergleichen mehr in mir auftaucht. Wenn es sein muss, bin ich bereit, Schuld über Jahre, ja über Generationen zu tragen“ und - oh Wunder - mir wird eine Wertsteigerung zu Teil. „Oh, sieh nur, wie er leidet und trägt an seiner Schuld. Wie Jesus gleichermassen, tragend die Schuld wie ein Kreuz.“
Oh wie sich mein Ego freut, wie es wächst….

Wir neigen seit Jahrhunderten dazu, Verantwortung abzugeben, an den Pabst, den Lehnsherren, die Ärzte, die Wissenschaftler und seit neuestem die Fachleute, die Spezialisten. Die Polizisten. Die Politiker. „Ich habe nur befolgt, er hat gesagt, sie wissen, sie wissen besser, ich kann nicht, ich weiss nicht, ich darf nicht. Ich bin brav. Folgsam bin ich. Ich bin wie alle. Ich folge den Vorgaben. Ich unterwerfe mich dem Klügeren, dem Stärkeren. Er weiss. Ich folge.“
Und - oh Wunder - mir wird eine Wertsteigerung zuteil. „Sieh nur, wie er gendert, wie er die Maske gar im Freien trägt, wie er gegen Abweichler kämpft, wie er CO2 spart, als hielte er den Atem an, wie er brav und perfekt und rechtschaffen, gesetzestreu ist. Ein goldenes Rädchen im Getriebe.“
Oh, wie sich mein Ego freut, wie es wächst….

Meine Kinder neigen dazu, sich bei mir zu entschuldigen, wenn sie oder ich der Meinung sind, sie hätten etwas falsch gemacht. Dann steht Jesus in meinem Zimmer und ich höre:

„Ich habe Euch nicht von der Schuld und der Sünde befreit. Ich habe Euch gezeigt, dass es keine Schuld und keine Sünde gibt.“

Und es öffnet sich mein Herz und ich weine. Es steigt Angst auf in mir, vor dieser Vorstellung.
Und er fährt fort: Es gibt keine Verfehlungen. Siehe, es gibt nur Taten und Nichttaten. Gedanken und Gedankenlosigkeit. Die steigen auf aus dir, aus deinem Willen, weil du die Liebe suchst, weil du Gott suchst.
Deine Vergangenheit - oder was dein Verstand als Vergangenheit annimmt,
Dein Verstand -auch wenn er auf dem Holzweg ist,
Deine Gefühle, auch wenn sie verwirrt und verstrickt sind oder nicht zu bändigen..
Sie leiten diesen Willen, zu Gott und in die Liebe zu kommen. Und sie leiten ihn manchmal fehl.

Und - wie ich es in meinem Schuldbrief schrieb - ich verfehle das Ziel. Doch:

Ich habe keine Schuld.
Ich haben niemand anderen, der schuld ist, Verantwortung trägt.
Ich habe gehandelt und gedacht - und nun die Verantwortung.
Ich mag meine Verfehlung gleich, oder nach Jahren, oder nie begreifen.
Doch ich sehe in der Sekunde meines Handelns und Denkens meine Verantwortung. Die Verantwortung über meine Kommunikation, meine Gesundheit meine Heilung, mein Leben in Einheit mit all diesen uneinheitlichen Unsicherheiten.

Und ich gebe sie nicht ab, diese Verantwortung. An keinen Doktor, keinen Arzt. Keinen Sprachwissenschaftler, keinen Dozenten. Keinen Politiker, keinen Lehrer.

Ich kann sie übernehmen.

Und - oh Wunder - ich werde klein und schwach und demütig und nehme die Verantwortung auf mich. Das Urteil der anderen höre ich. Allein, es zählt nur meine Verantwortung. Denn Gott ist in mir. Gottes Wissen um die Liebe. Und ich kann jetzt die Verantwortung übernehmen oder in der Stunde meines Todes. Dann wird ein Zähneklappern sein. Aber jetzt kann ich meine Verantwortung auflösen in Liebe-Volle Handlung.
Wo fehlt die Liebe? Wohin soll ich meine Liebe schicken?

Ich werde ganz still. Ich nehme wahr, was geschieht und da steigt die Wahrheit auf in mir. Ich weiss, was richtig ist. Ich muss nicht grübeln oder nachdenken oder erörtern oder suchen. Ich weiss es. Immer. In jeder Sekunde. Wir alle wissen es und handeln trotzdem so, wie wir können.
Wenn wir aber im Moment des Handelns, die Verantwortung übernehmen, wird sich unser Handeln und Denken in die richtige Richtung verändern, bewegen.
"Erst kommt die Handlung, dann kommt die Fähigkeit zu handeln.“ (Aristoteles)

Wir brauchen in Wahrheit keinen Richter und kein Gefängnis. Keine Regeln und keine Gesetze. Wenn wir alle in Verantwortung aufwüchsen und lebten.

„Ja“, sagst du, „aber das wird nicht funktionieren, Markus.“
„Ja?“ frage ich. „Und mit Gesetzen und Richtern, Polizisten und Politikern, Gesetzen und Strafen, Soldaten und Kanonen, Kirchen und Gewerkschaften funktioniert es? Ja……?“

Ich habe eine Wahrheit in mir, die will ich Euch sagen. Wir sind vom Weg abgekommen.
Wir können Verantwortung übernehmen. Wir können in der Stille auf uns blicken, unseren Kindern zeigen wie das geht. Und dann in Liebe handeln.
Unsere Umwege sehen und auch hierfür Verantwortung übernehmen.
Das ist meine Wahrheit. Es muss nicht Eure sein. Aber Ihr könnt Sie in Euch einlassen, ohne sie übernehmen zu müssen.

Und ich bin mir im Klaren: ohne das Begreifen, dass unsere Angst vor dem Tod eine Täuschung ist, wird der Weg der Verantwortung steinig werden. Darüber mehr in einem anderen Brief.


Nur meinen Kindern sage ich im Angesicht Gottes: Es gibt nichts zu entschuldigen. Es gib nur Verantwortung. Wie kann die hier aussehen? Es gibt nichts, wofür Ihr Euch entschuldigen müsst.

Übernehmt Verantwortung.
Und dann küsse ich sie.


Eine Nachtrag-Geschichte:
Auf Lesbos nahmen sich junge Erwachsene meinen 70er-Jahre-Klappstuhl und die sündhaft teure Stroh-Bogenschiess-Scheibe (ein Geburtstagsgeschenk für meinen Sohn) und verbrannten sie in einem Lagerfeuer während eines nächtlichen Strandfestes. Als ich am nächsten Morgen die qualmenden Reste entdeckte, war ich traurig und enttäuscht von den Menschen, die sich so destruktiv am Besitz anderer vergreifen.
Mit Hilfe einiger griechischer Freunde, gelang es uns herauszufinden, wer diese jungen Erwachsenen waren_ und sie wurden - in meiner Abwesenheit - darauf angesprochen.
Daraufhin kamen 10 der zwanzig Teilnehmer (die Frauen waren nicht gekommen) direkt zu mir. Sie baten um Verzeihung, und sagten, es täte ihnen leid, was sie da im Rausch und im zügellosen Feiern getan hätten. Sie seien aufgrund ihrer Erfahrungen davon ausgegangen, dass dies von mir ausrangierte Gegenstände gewesen seinen. (ich hatte sie unter einem Baum gelagert zusammen mit meinen Handtüchern). Ja, ihr Urteilsvermögen sei nicht mehr so wach gewesen, die Sicht in der Nacht eingeschränkt und sie auf Spass aus. Sie wollen in Zukunft achtsamer sein. Sie haben das nicht aus Zerstörungswut oder Gleichgültigkeit getan. Sie wollen den Schaden bezahlen.
Ich war bewegt und sagt ihnen das auch: Ihr habt Verantwortung übernommen. Ihr habt den Mut, euch mir zu stellen. Ihr wollt das beim nächsten mal verhindern und sogar bezahlen.
Danke. Ihr habt meine Traurigkeit aufgelöst, die aus einer falschen Einschätzung entstanden ist. Ihr habt meine Enttäuschung in Anerkennung verändert.
Ich will kein Geld von Euch. Das Übernehmen der Verantwortung hat uns beide geheilt.








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