In letzter Zeit bin ich immer wieder auf „Schuld“ gestossen.
Oder besser, habe mich daran gestossen.
Sünde und Schuld werden Menschen oft vorgeworfen. Um sie zu besseren Menschen zu erziehen, um sie führen oder gar beherrschen zu können.
Mir erzählte sich eine Geschichte, als ich in einer Dyade sass:
Wir alle zielen mit Bogen und Pfeil auf das Ziel: „Mensch-sein“
Jeden Tag, jede Sekunde.
Wir wollen geliebt, anerkannt, geschützt, bewundert, angenommen sein als Mensch, bestenfalls als ganz besonderer Mensch, damit wir noch inniger angenommen werden.
Vielleicht wollen wir das durch Reichtum oder Macht oder Barmherzigkeit erreichen und wir tun alles dafür, „Mensch“ zu sein, damit wir von anderen Menschen angenommen werden.
Wir zielen auf das Bulleye in der Zielscheibe. Manche wenden Gewalt an. Jeder auf seine (manchmal sicher auch schwer zu verstehende) Weise.
Aber alle wollen wir Mensch sein. Alle 7 Milliarden.
Und oft verfehlen wir das Ziel.
Der Begriff, der in der Bibel mit „sündigen“ übersetzt wird:
αμαρτανω (amartano)
bedeutet tatsächlich nur: Ich treffe (mit dem Bogen) daneben,
Also heisst es nicht :„Ich sündige“
sondern: „Ich habe das Ziel verfehlt“
Sünde bedeutet also nur, dass ich mein(!) Ziel, Mensch zu sein, dieses Mal verfehlt habe.
Wir verfehlen das Ziel. Aber nie schuldhaft oder sündig... das geht gar nicht, da unser aller Ziel
immer nur ist: Mensch sein.
Und „Schuld“ scheint mir auch ein nutzlos Ding zu sein, das ich gerne durch „Verantwortung“ ersetzte. Es ist oft wie eine Entschuldigung: „Ich bin schuld an dem und jenem, ich bin falsch, ein Sünder, ein schlechter Mensch, vergib mir. Ah. Danke. Erledigt.“
Schuld ist in dem Zusammenhang ein praktischer Helfer, mich vor der Verantwortung zu drücken. Hingegen: „Ja, ich habe dies oder jenes verursacht. Dazu stehe ich.“ Ich kann sogar die Begründung, weshalb es dazu kam, vernachlässigen. „Ja, Ich habe das getan und trage die Verantwortung.“ Will sagen, „ich helfe, einen entstandenen Schaden, eine Verletzung wieder zu beheben“, ersetzen, werde aufrecht die Reaktionen, die ich angetriggert habe, annehmen etc.
So begreifen manche Theologen die Bibel: Wenn du jemandes Auge ausstichst, musst Du ihm dein Auge geben (also ihm helfen zu sehen, nicht in Schuld einfach deines auszustechen), Seinen Schmerz wahrnehmen und lindern den Du (mit)verursachtest. Wenn du ihm die Zähne ausgeschlagen hast, musst du dafür sorgen, dass sein Essen gekaut ist, wenn es sein soll, mit DEINEN Zähnen. Denn welcher Gott oder Mensch wäre so verblendet, zu glauben, dass wenn durch Bestrafung der Sünde am Ende zwei blind herumlaufen, irgendetwas besser würde in der Welt.
Und so erzählte sich meine Geschichte weiter in mir:
Ich habe den Pfeil verschossen.
Da tritt jemand neben mich. Und gibt mir keine Schuld. Sondern reicht mir einen Pfeil und sagt: „Es ist gut. Hier, schiess noch einmal.“
Und nochmal
und immer wieder.
Der, der mir endlos die Pfeile reicht, liebt mich über alle Massen. Er reicht mir Pfeil um Pfeil, bis ich treffe.
Bis ich Mensch bin.
Er weiss, dass ich nicht aus Bosheit, Sündhaftigkeit, Faulheit danebentreffe.
Er weiss mich ohne Schuld. Und ich mich durch ihn (oder sie..?)(haha)
Mir rannen die Freudentränen, als ich begriff: Es gibt keine Sünde, keine Schuld. Die Kirche hat mich angeschwindelt und sich selber auch in ein dunkles Tal der Schuld geschickt und Jahre dort gehalten. Ich bin frei und gut und suche nur, Mensch zu sein. Ach, Ihr Pastoren und Prediger, wenn Ihr nur wüsstet, dass Ihr schuldfrei sein könntet, dann würdet Ihr besser zielen und treffen und nicht eure Wünsche und Sehnen im Dunklen verstecken.
Ich bin so voll Freude und lache Tränen, weil Gott(?) mir schon wieder einen Pfeil reicht.
Gerade
Jetzt! Hihi
Mir plätschern ein paar Fragen nach:
Wer ist schuld? an einer Trennung? an einem Unfall? an einem Mord? an einem Behandlungsfehler? an...?
Wer verursacht das Leiden? Und wer verursacht den Schmerz?
Was ist Sünde?
Was ist Schuld? Wie trage ich Schuld?
Was ist Verantwortung? Wie trage ich Verantwortung? Kann ich Verantwortung übernehmen für meinen Tod?